Ende August hat es uns gepackt. Wir wollten dieses Jahr unbedingt nochmal aufs Wasser und was lag da näher, als „unsere“ Flora wieder zu entern. Kurzer Kontakt zu Yachtcharter Turfskip und schon war alles geregelt. Auch wenn „Flora“ normalerweise nur von Montag auf Montag verchartert wird, war für uns in der Nachsaison auch Samstag auf Samstag problemlos möglich.
Samstag, 4. Oktober
Also ging es am 4.10. früh morgens um 7 Uhr los, schließlich wollten wir jede Minute nutzen. Dass das so nicht klappte, wussten wir da natürlich noch nicht. Aber dazu später mehr.
Das Gute an älter werdenden Kindern ist, dass Vattern nicht mehr ständig selber fahren muss, sondern sich, zumindest in Deutschland, von seiner 17-jährigen Tochter locker durch die Gegend kutschieren lassen kann. Und für eine frisch fahrerlaubte hat sie ihre Sache ausnehmend gut gemacht. Nach dem Fahrerwechsel beim Grenzübertritt hatte ich dann doch noch das Vergnügen, aber auch ich habe uns fehlerfrei nach Echternerbrug gefahren. Das Lob der Tochter war mir gewiss! 😉
„Flora“ war startklar an der Kade, die vorab georderte Versorgung war auch wie bestellt an Bord, die Sonne schien, der Wind begrüßte uns und um 11 Uhr hieß das Kommando „Leinen los!“.
Durch die Christiaanbrug ging es auf das Tjeukemeer
Irgenwie habe ich an mir gezweifelt. Habe ich das Bootfahren in dem letzten Jahr verlernt? Ja, es war recht windig, aber Flora gehorchte nur auf extreme Steuerbewegungen. Zunächst war ich ja noch davon überzeugt, dass es an mir lag. Und mit viel Ruderaction, Geduld und Spucke habe ich das Boot dann doch bis Scharsterbrug bekommen. Dort mussten wir ein wenig auf die Brückenöffnung warten. Als es dann losging, bin ich aber nur mit massiven Einsatz des Bugstrahlruders um die Ecke gekommen.
Die „Sehleute“ werden sich ihren Teil gedacht haben. Und ich hatte meine ersten Zweifel, ob es wirklich an meinen Steuerkünsten liegen könnte oder nicht doch ein ernsthafteres Problem sein wird. Sicherheitshalber haben wir kurzfristig entschieden, Joure anzulaufen und spätestens auf Langweerderwielen war klar, dass wir ein ernsthaftes Problem hatten: Steuerung war unmöglich, wir fuhren Kreise! Mir wurde warm und das Kind neben mir wurde blass. Mit Mühe und Not erreichten wir Joure, konnten merkwürdiger Weise ein ganz normales Anlegemanöver fahren und machten fest für den Tag.
Dort holten wir erstmal Luft und dachten nach. Direkt vis-à-vis der Kaffeefabrik von Douwe-Egberts ging das natürlich bestens.
Wir beschlossen, erstmal nichts zu unternehmen und den schönen Abend in einem ordentlichen Hafen zu genießen.
Sonntag, 5. Oktober
Am nächsten Morgen, keiner hat sich in seiner engen Koje gestoßen, gab es ein leckeres Frühstück und die Hoffnung auf nächtliche Blitzheilung von Flora.
Diese Naivität holte uns aber sehr schnell ein. Leinen los und Flora steuerte nur nach backbord! Also am anderen Ufer sofort wieder festgemacht (Anlegen gegen den Wind nur unter Einsatz des Bugstrahlruders sollte in der Führerscheinausbildung ein eigenes Kapitel bekommen!). Aber die Leinenzauberin Pia hat das Boot locker mit 2 Leinen in die richtige Position gezogen.
Anruf bei Turfskip, Sonntag Morgen scheint nicht jedermanns Zeit zu sein 😉 , und eine Stunde später nahte Hilfe. Es lag also nicht an mir, sondern es war kein Öl mehr in der Hydraulikleitung der Steuerung. Ein Ventil war leck. Sehr schade, dass wir mit dem Schaden losgeschickt wurden! Das trübt schon das gute Gesamtbild, dass wir bisher von turfskip hatten. Man stelle sich vor, wir wären nicht mehr vom See gekommen oder noch schlimmer, uns wäre das auf dem Princess Margrit Kanal passiert. Ein fürchterlicher Gedanke!
Immerhin wurde alles schnell und ordentlich behoben.
Nach einer weiteren Stunde konnten wir endlich los, Ziel: Drachten. Stecke: Goingarijpsterpoelen, Terkaplesterpoelen nach Akkrum, wo wir letztes Jahr übernachtet haben. Weiter ging es durch den Pricenhof Richtung Drachten. Kurz vor dem Ziel sahen wir ein Hinweis auf einen kleinen Jachthaven in Oudega. Kurzentschlossen Kursänderung nach Backboord und kurz danach waren wir am Ziel.
Oudega hat einen kleinen, sehr aufgeräumten Hafen abseits vom Trubel. Die Sanitäranlagen waren so eben akzeptabel, ebenso wie das Liegegeld von 8,50 €. Strom und Dusche zahlte man extra.
Immerhin: keine technischen Probleme. Alle Funktionen erfüllten ihre Aufgaben! Einer ruhigen Nacht stand nichts im Wege.
Montag, 6. Oktober
Norden, immer weiter nach Norden! Ziel: Zoutkamp. Durchwachsenes Wetter mit kräftigem Wind aus N. Heute hat man deutlich gemerkt, dass wir in der Nachsaison unterwegs sind. Teilweise waren wir stundenlang das einzige Boot unterwegs.
Eine prima Gelegenheit für Pia, mehr Routine als Rudergängerin zu bekommen. Und wie immer machte sie ihre Sache hervorragend. Auch die engeren Brücken wurden hochkonzentriert angefahren und perfekt passiert. Nächstes Jahr sind An- und Ablegemanöver dran, da hat sie sich diesmal noch nicht wirklich rangetraut. Aber da wächst ein Naturtalent heran 😉
Mit Erreichen des Dokkumerdiep lag auch die erste Schleuse des Törns auf dem Weg. Die Willem Loréssluis brachte und „hinab“ (30 oder 40 cm) auf das Lauwersmeer.
Ein großes Wasser, für unsere Verhältnisse sogar ein SEHR großes Wasser. Dazu krachtigen Wind von vorn. Flora schlug immer wieder kräftig auf die Wellen und das Wasser spritzte nur so an die Windschutzscheibe. Dazu mussten wir uns rein an der Betonnung orientieren, da wir da ja noch nie waren. Im großen und ganzen lief das auch sehr gut.
Bis wir auf einmal an Fahrt verloren! Was ist denn nun schon wieder los? Kurzer Blick auf den Drehzahlmesser: 1.700 Umdrehungen, alles ok. Blick auf die Tonnen voraus und achtern: ein wenig weit links, aber noch immer im Fahrwasser. Der Tiefenmesser zeigt 5,5 m, auch ok. Aber wir wurden immer langsamer. Also erstmal Gas raus, Ruder hart steuerbord, langsame Fahrt und langsam, ganz langsam scheint sich Flora wieder freizuschwimmen. Und tatsächlich, wer von Neptuns Genossen uns da auch immer festgehalten hat, er hatte wohl Mitleid mit unseren panischen Blicken und lies uns los.
Pia gab mit dem Fernglas vor den Augen den Kurs anhand den Bojen vor und irgendwann konnten wir das Lauwersmeer verlassen und über Zoutkamperrijl Kurs O Richtung Zoutkamp steuern. Man merkt da schon , dass das Lauwersmeer früher noch teil der wilden Nordsee war, auch wenn es heute eingedeicht ist. Ein Erlebnis war die „Seefahrt“ auf jeden Fall.
Zoutkamp ist ein alter Seehafen, in dem früher die Fischfangflotten lagen. Auch heute liegen dort noch alte, schön anzusehende Schiffe aus der Zeit. Wir fuhren durch die alte Seeschleuse in den Passantenhaven. Dort lagen wir trotz Wind relativ ruhig. Das Sanitärgebäude ist recht neu, password-geschützt (Code bekommt man bei der Anmeldung) und dementsprechend sauber. Eine tolle Lösung!
Der absolute Höhepunkt in Zoutkamp war jedoch das Fischrestaurant ZK86 direkt am Hafen mit Wintergarten und Blick auf die Seeschleuse. Sensationeller Fisch (Dorade und Kabeljaufilet mit tollen Beilagen) und sensationeller Blick auf Hafen und Schleuse! Auf jeden Fall einen Besuch wert!
Dienstag, 7. Oktober
Die Nacht wurde dann doch noch richtig stürmisch, alles plätscherte und wackelte, herrlich! Nach einem ausgiebigem Frühstück mit frischen Brötchen vom örtlichen Bäcker haben wir unseren Plan, wieder über das Lauwersmeer Richtung Dokkum zu fahren verworfen. Es war uns einfach noch zu windig.
Im Hafen wurde uns eine Fahrt westlich vom Reitdiep empfohlen. Wir sollten uns im Fischereimuseum einen Sleutel holen, mit dem wir eine kleine Schleuse und Brücken auf dem Weg selber bedienen könnten. Leider hatten wir keine Waterkaart der Provinz Groningen an Bord und unser Törnführer Fenzel sagte uns nichts über diese Strecke. Auch wenn es verlockend klang, wir haben uns für die Schleife über Elektra Richtung van Starkenborg Kanaal entschieden und sollten es nicht bereuen.
Es ging über Kommerzijlsterijt kreuz und quer durch die Felder der Provinz Groningen. Der Matrose sagte nur trocken, hier sähe man die Kühe vor lauter Schafen nicht 😉
Auf dem Van Starkenborg Kanaal wartete dann das nächste Abenteuer auf uns: unsere allererste Großschleuse mit Berufsschifffahrt! Funk haben wir nicht, aber im „Fenzel“ steht die Telefonnummer der Schleuse. Also kurzer Anruf und wir konnten kurz darauf hinter einem Frachter einlaufen.
Was waren wir stolz auf uns. Alles, was wir uns über Schleusen angelesen hatten, haben wir mit Bravour umgesesetzt. Matrose meldete keine besonderen Vorkommnisse und nachdem der Frachter die Schleuse verlassen hatte, ging es für uns auch weiter.
Hinter Gerkesklooster ging es wieder steuerbord Richtung Norden, Richtung Kollum und Dokkum, genau hinein in ein Unwetter allererster Güte. Der Hagel kam waagrecht und wir mussten durch die engsten Brücken. Aber auch das haben wir gemeinsam geschafft, ohne anzuecken. Matrosenkommentar: Wir haben es halt drauf! Ich liebe dieses jugendliche Selbstverständnis! 😀
Dokkum ist einfach schön, diese alte Festungsstadt mit den großen Mühlen, herrlich
Zunächst wollten wir uns zwischen die beiden Mühlen legen, doch da war es uns noch zu windig und der Weg zum Sanitärhäuschen war zu weit. Also verlegten wir uns an das Südufer. Leider ist das in Dokkum mit dem Strom so eine Sache. Entweder hat man eine App oder gibt seine Kreditkartennummer per Telefon an irgendwen unbekannten durch. Nicht akzeptabel, selbst für die dort liegenden Holländer. Zum Schluss gibt es noch an jeder Stromsäule einen (!) Anschluss, den man für 3,00 € beim Havenmeister mieten kann. Die sind natürlich alle schon belegt. Selbst der Hafenmeister findet diese Lösung unsinnig, verweißt aber auf die Entscheidungen der Gemeinde.
Wir bekamen aber unseren Strom, indem wir uns bei freundlichen Nachbarn einklinken konnten. Eine glückliche Lösung ist das aber ebensowenig wie die Tatsache, dass die Toiletten Nachts abgeschlossen werden. Da hat Dokkum aber noch viel Luft nach oben.
Mittwoch, 8. Oktober
Heute wollten wir nur die kurze Strecke nach Leeuwarden zurücklegen. Daher haben wir erstmal lange geschlafen und mit der Superkulisse im Hintergrund ausgiebig gefrühstückt. Der freundliche Nachbar mit dem Strom legte 30 Minuten vor uns ab, sollte uns aber auf dem Weg nach Leeuwarden noch begegnen.
Gemeinsam mit einem Boot, dass uns mehr an einen Bus erinnerte…
…wurden uns die letzten 2 Brücken in Dokkum geöffnet. 9 km/h waren erlaubt und der „Bus“ blieb bald im Heckwasser zurück.
Auch heute war es wieder eine ruhige und gemütliche Fahrt bis Burdaard. Dort wurden wir vor einer Brücke gesammelt, bis der „Bus“ 20 Minuten später auch da war.
Vor der Brücke lag bereits ein Boot und vor uns machte der „freundliche Stromnachbar“ mit seinem 7m-Schiff fest. Doch tatsächlich so, dass für uns kein Platz mehr geblieben wäre. Erst eine freundliche Bitte, doch noch bis zum ersten Schiff vorzuziehen bewegte ihn dazu, uns noch Platz zu machen. Sachen gibts!
Der Rest der Fahrt nach Leuuwarden war unspektakulär. Jedoch ist die Einfahrt in die Stadt von Norden wirklich schön. Bisher bin ich ja immer von Süden aus gekommen.
Wir hatten einen tollen und ruhigen Liegeplatz in der Norderstatsgracht, direkt am Prinsentuin.
Nach einem kleinen Rundgang durch die wirklich schöne Innenstadt, alle Radfahrer haben wir überlebt….
…ging es am Abend zu unserem schon traditionellen Besuch in das Pannekoekschip. Meine Henkersmahlzeit vor dem 52sten: Norwegian Style: Lachs, Creme fraiche, Lauch, Rukula, Pinienkerne, Walnüsse, garniert mit einer süßen Senfsoße. Lecker, das neue Lebensjahr kann kommen. Der Matrosenpfannkuchen war weniger spektakulär: Puderzucker und Butter 😀
Donnerstag, 9. Oktober
GEBURTSTAG! 🙂
Der Tag begann wundervoll mit einem richtig tollen Geschenk der einen und einer wunderschönen whatsapp-Nachricht der anderen Tochter (das Geschenk, das zu Hause wartete, war dann nochmal eine schöne Überraschung!)
Angeblich soll es in der Nacht eine Sintflut gegeben haben, die aber nur Pia gehört hat. Ich habe den Schlaf der Gerechten genossen. Ohne Hetze ging es nach dem Frühstück ruhig, trocken und mit wenig Wind Richtung Bolsward.
Ein 2,50 m- Revier, genau der Grund, warum wir nicht mit einer dieser riesegen Flybrigde-Yachten unterwegs sind. Kleine, enge Brücken, wenig Tiefe (der Tiefenmesser zeigte teilweise noch 10 cm an!) aber toll zu fahren. Über die Bolswardertrekfahrt ging es via Baar und Wommels manchmal vorbei an merwürdigen Landmarken nach Bolsward.
Auch Bolsward ist eine Reise wert. Eine typische friesische Kleinstadt und Startort der friesischen 11-Städte-Tour.
Es war ein schöner Geburtstagsnachmittag in der Stadt. Die Fotos davon stelle ich hier aber nicht ein 😉
Freitag, 10. Oktober
Das Ende des Törns nahte. Als Tagesziel haben wir uns Sloten ausgeguckt, da von da aus Echtenerbrug recht schnell erreicht werden kann und wir Osingahuizen eine Brücke mit Doppelrot ausbremste. Was war nun schon wieder? Für die Mittagspause in dem Revier war es noch zu früh. Pia entdeckte dann einen Ponton unter der Brücke, auf dem fleißige Friesen irgendwas reparierten. Das sah nach was längerem aus.
Ein kurzer Blick auf Karte und Uhr, schaffen wir vor der Mittagspause noch die Brücke in Ijlst Richtung Sneek? Könnte knapp werden, aber den Mutigen gehört die Welt. Also kehrt, um den rund 2-stündigen Umweg über Sneek zu nehmen. Zeit hatten wir ja eigentlich genug. Und auch pünktlich um 11:56 Uhr waren wir an der Brücke in Ijlst.
Nach uns ging es auch direkt auf Doppelrot. Das war timing!
Sneek ist immer wieder schön zu durchfahren.
Leider hatten wir wieder ein ordentliches Stück Princes-Margriet-Kanaal zu bewältigen. Da tauchte im Heckwasser irgendwann ein Schubverband auf, der uns direkt vor der Spannenburgbrug überholte. Es wurde dunkel an Steuerbord.
Danach ging es ruhig weiter, bis wir über das Brandemeer Sloten erreichte.
Ein kurzes Warten auf den Hafenmeister, Hunde, Katzen und Enten warteten mit uns, und wir konnten in einer freie Box im Jachthaven de Lemsterpoort festmachen.
Über Sloten kann ich das gleiche sagen, wie ich es schon über die ganzen anderen besuchten Städte sagte. Einfach nur ein schöner Ort, der auch von der Wehrhaftigkeit der alten Friesen erzählt. Die Kanone soll übrigens jeden Freitag noch abgefeuert werden!
Samstag, 11. Oktober
Sonne von oben, Sonne von unten. Wir fuhren nach Gefühl und Gehör. Was für ein schöner Morgen, auch wenn es nun hieß, Abschied zu nehmen. Echtenerbrug war nicht mehr weit.
Kurz vor 10:00 Uhr waren wir dann pünktlich wieder an der Turfkade. Fix ausgeladen, Boot klar gemacht und übergeben. 79 Liter Diesel haben wir verfahren. Leider habe ich vergessen, am Anfang des Törns den Betriebsstundenzähler zu notieren. Aber ich gehe von rd. 30-35 Stunden aus. Der Spritverbrauch war also kaum der Rede wert.
Es war wieder eine traumhafte Woche. Trotz Manövrierunfähigkeit, eventueller Grundberührung, Unwetter und was uns sonst noch so alles widerfahren ist, haben wir die Zeit wieder sehr genossen und werden es nächstes Jahr mit Sicherheit wiederholen. Mal sehen, wo es uns dann hinverschlägt.
Danke für die Geduld, bis hier hin alles gelesen zu haben 🙂